Die "Performance Training"-Lüge

 

„Du musst mehr machen als alle anderen“ steht unter dem letzten Video. Ich schaue auf den Platz und sehe viele verschiedene Hütchen, einige Hürden, Dummys, Koordinationsleitern und verschiedene Rebounder. Da hat jemand etwas vor! Meiner Erwartung nach kommt eine komplette Mannschaft zum Zirkeltraining, doch bei diesem Training geht es nur um einen Spieler.  

 

Der Spieler ist zu Beginn an einem Bungeeseil befestigt und sprintet los. Das Bungee löst sich und er macht ein paar Sprünge, einen schnellen Richtungswechsel um die linke Achse. Mit dem Ball dribbelt er durch einen schmalen Slalom-Parkour, Pass gegen den Rebounder, Pass zum Trainer, ab durch die Koordinationsleiter, Ballmitnahme am Dummy vorbei, eine Drehung um die rechte Achse, Ball an den Hürden vorbei, Sprünge über die Hürden, Ballmitnahme und Abschluss aufs Tor. „Gut gemacht Maschine“, schallt es über den Platz. Der nächste Durchgang beginnt…

 

Wenn ich durch meinen Instagram-Feed scrolle, sehe ich immer mehr Videos zum Thema „Performance Training“. Geworben wird mit „innovativen“ und „professionellen“ Trainingsmethoden, die den Spieler innerhalb kürzester Zeit zum „Profi“ machen. Die Kombination aus Technik- und Athletiktraining scheint der Schlüssel zum Erfolg zu sein. „Du musst mehr machen,  als alle anderen“, steht in den Kommentaren unter den Videos und suggeriert Nachwuchsspielern, dass sie mit diesem Training ihren Traum erfüllen können. Im Idealfall ist auf dem Video ein Jugendspieler oder ein Semiprofi eines bekannten Fußballclubs zu sehen, damit die Click-Zahlen auch hoch sind und die Glaubwürdigkeit steigt.

 

Es gibt verschiedene Motive einen Zusatztrainer zu buchen. Die einen brauchen die Verbindlichkeit und ziehen Motivation aus den Worten des Trainers. Andere Spieler/innen nutzen das Training für ihre Außendarstellung in Social-Media und im Idealfall wollen sie gezielte Verbesserungen erzielen. Wenn wir uns den letzten Gesichtspunkt etwas genauer ansehen, dann fällt es mir schwer, eine gezielte Verbesserung von Bewegungen und Techniken zu erkennen. Allein die Masse an verschiedenen Ausführungen und Techniken macht das Erkennen von Bewegungsmustern und den sich anschließenden Korrekturen mehr als schwer. Aufgrund der Vielzahl an Aufgaben und der schnell eintretenden Ermüdung, kann der/die Spieler/in sich nicht bewusst auf jede Ausführung konzentrieren. Wenn wir den Aspekt des reinen Ausdauertrainings ausklammern. Die fachlichen Qualitäten der Trainer kann ich nicht beurteilen, nur finde ich den Lernansatz des gezielten „überpacens“ fragwürdig.

 

„Innovativ“ und „professionell“ ist jede Trainingseinheit, weil die Reihenfolge der Hütchen, Hürden, Rebounder usw., sich in jedem Training unterscheiden. Die Bewegungen und Techniken werden auch stetig verändert, damit der Eindruck des absolut individuellen Trainings entsteht. Je mehr Material aufgebaut wird, umso „professioneller“ und „individueller“ ist das Training. Im normalen Vereinstraining gibt es diese „Materialschlacht“ nicht und so entsteht der Eindruck, dass ein Zusatztraining mit neuen Geräten einen Spieler direkt weiterbringen.

 

Sich etwas neu auszudenken und viel Material aufzubauen ist für mich nicht gleichbedeutet mit Innovation. Wenn eine Methode oder Trainingsübung schnellere und bessere Ergebnisse als bei anderen Trainern erzeugt, dann sprechen wir schon eher von innovativen Ideen.

 

Das Training sollte sich immer am Spiel des Einzelnen orientieren und keine unnatürlichen Bewegungen beinhalten. Ich werde im Spiel nie dreimal springen, mich drehen, passen, hüpfen und dann auf das Tor schießen. Ich habe mich oft mit professionellen Athletiktrainern unterhalten und die Meinung ist einstimmig. Gezielte, auch mal nicht spielnahe Grundübungen, um bestimmte Muskelgruppen und Bewegungen zu trainieren, sind absolut richtig. Aber eine solche Masse an Übungen in Kombination, bringen keinen gezielten Fortschritt, außer vielleicht im Ausdauerbereich.

 

Ich für meinen Teil, kann nur den Bereich des Techniktrainings objektiv beurteilen, da ich mich seit fünf Jahren mit nichts anderem beschäftige und viele Erfahrungen gesammelt habe. Bei vielen Kombinationsübungen aus Athletik und Technik gibt es kaum gezielte, spielnahe Verbesserungen für die Spieler/innen, wenn wir den Anspruch haben, nicht nur Korrekturen wie „konzentrier dich besser“ oder „Pass genauer“ zu nennen. In den meisten Videos erkenne ich in einem Durchgang mehr als drei technische Fehler, die direkt vermeidbar wären. Wenn wir davon ausgehen, dass nur die besten Durchgänge publiziert werden, dann möchte ich nicht über die Qualität der anderen Durchgänge nachdenken. 

 

Natürlich kann man eine Trainerleistung nicht nach einem Instagram-Video beurteilen, doch können wir über diese Flut an Material und Kombinationen von technischen Ausführungen diskutieren. Ich liebe es, neues Trainingsmaterial zu nutzen und neue Wege zu gehen. Doch am Ende zählt nur eins: Das Ergebnis! Wir sollten kein Training machen, nur weil es gut aussieht, sondern weil wir damit Ergebnisse erzielen. Für mich zeichnet sich ein guter Trainer durch gezielte personenbezogene Korrekturen aus, damit die Spieler/innen schnellstmöglich Erfolge erzielen. Ich suche mir keinen „Kochtrainer“, damit das Essen am Ende nicht schmeckt.

 

 

Autor: Markus Steffen